Die supraklavikuläre Plexusblockade: eine Schlüsselposition oberhalb der Klavikula
- Warum ist sie eine echte Schlüsselposition in der Regionalanästhesie?
- Welche anatomischen Strukturen werden zuverlässig erreicht?
- Für welche OPs eignet sie sich besonders – und wo sind die Grenzen?
Inhaltsverzeichnis
Podcast supraklavikuläre Plexusblockaden
Weitere Podcasts und Blogbeiträge über den Plexus brachialis
Dieser Beitrag ist ein Teil einer Serie (Staffel 2, Episode 1-6)
Didaktisch sinnvoll: Starte mit der Übersichtsfolge zum Plexus brachialis (S2E1) und tauche erst dann tiefer in die einzelnen Regionan ein.
Sonoanatomie: Trunci und / oder Divisiones?
Topografische Anatomie
Kurze Wiederholung aus Episode 1 der 2. Staffel „Anatomie für Plexus brachialis-Blockaden“ für die supraklavikulären Ebene.
Der Plexus brachialis bildet sich aus den Rr. ventrales der Spinalnerven C5–Th1. Dies entspricht der häufigsten Variante. Einzelfälle wie die Prä- oder Postfixation werden hier nicht berücksichtigt.
Die drei Trunci bilden sich wie folgt:
- Truncus superior: Rr. ventrales C5 und C6
- Truncus medius: R. ventralis C7
- Truncus inferior: Rr. ventrales C8 und Th1
Aus jedem Truncus geht dann eine anteriore und posteriore Division hervor, die denn die Faszikel bilden (Link Blogbeitrag infraclaviculäre Blockaden).
Die Organisation der Trunci in die Divisiones erfolgt dorsal der Clavicula. Dieser Bereich wird sonografisch durch Kippen der Sonde in die obere Thoraxöffnung dargestellt.
Die exakte Abgrenzung zwischen Truncus, Ramus ventralis, Division oder peripherer Nerv hat in so manchem Workshop schon für Zündstoff gesorgt 😏
Von der Topografie zur Sonoanatomie
Aus anatomischer Sicht nimmt die supraklavikuläre Position unter allen Plexus-Brachialis-Blockaden eine Schlüsselrolle ein. Die Rr. ventralis der Spinalnerven von C5–Th1 können als Trunci gebündelt lateral der A. subclavia zentral blockiert werden: Truncus superior, medius et inferior.
In der folgenden Abbildung sind die Trunci durch gelb gestrichelte Linien markiert. Aber Vorsicht: Anatomisch betrachtet ist Markierung nicht ganz korrekt, da beispielsweise der N. suprascapularis den Truncus superior bereits verlassen hat und es daher kein Truncus superior mehr ist. Zusätzlich bilden sich bereits die Divisiones (Divisio anterior et posterior), was das Einzeichen der Trunci weiter erschwert
Dennoch ist diese Form der Kennzeichnung der Trunci für die grobe Orientierung hilfreich, auch wenn sie anatomisch nicht zu 100 % präzise ist. Du erhältst eine Übersicht, die zeigt, wo die Rr. ventralis auf supraclaviculärer Ebene (grob) lokalisiert sind. Für die Blockade an deinen Patient*innen ist es klinisch irrelevant, einen Truncus oder Division blockierst.
Bei der klassischen ultraschallgestützten Blockade des Plexus brachialis auf supraclaviculärer Ebene, ist die Ultraschallsonden parallel zur Clavicula angelotet und wird in die obere Thoraxapertur geneigt. A. subclavia, 1. Rippe, Pleura und die Divisiones und /oder Trunci des Plexus brachialis lateral zur Arterie sind die typischen sonografischen Landmarken.
Blockadetechniken
Optimale Lagerung mit sonografischer Hilfe
Ein zusätzlicher Schutz vor einer Pleurapunktion kann durch die sonografische Lagerung des Arms erreicht werden. Durch bestimmte Bewegungen von Arm und Schulter kann die erste Rippe unterhalb des Plexus brachialis positioniert werden. Zunächst sollte versucht werden, die Schulter abzusenken. Dadurch wird zusätzlich Raum für die notwendige Ankopplung der Sonde oberhalb des Schlüsselbeins geschaffen.
Sonde, Schallkopf und Geräteaufstellung
Ein Standard-Linearschallkopf mit 10 MHz und einer Auflagefläche von 40 mm sowie einer 22G großen und 50 mm langen Kanüle ist bei Erwachsenen normalerweise ausreichend. Die Durchführenden sitzen an der Seite der Operation, das Unterschallsystem wird auf der gegenüberliegenden Seite aufgestellt. Diese Maßnahme erleichtert bei der In-Plane-Punktion das Alignment von Schallebene und Kanüle. Die Sonde wird supraklavikulär angekoppelt.
Durch Kippen und Gleiten werden die Nerven- und Gefäßverläufe identifiziert und die optimale Stelle für die Blockade bestimmt. Es wird also mehrfach von der anatomisch interskalenären und supraklavikulären Position gewechselt (Interscalene-Sweep). Dabei werden mit jedem Sweep die einzelnen Rami ventrales nach supraklavikulär verfolgt, bis alle Nerven eindeutig zuzuordnen sind.
Da Venen während der sonografischen Voruntersuchung sehr leicht komprimiert werden können, sollte kurz vor dem Hauteinstich bewusst der Sondenandruck verringert werden. Ein geringer Sondendruck kann über die Darstellung der Vena jugularis externa überprüft werden.
In-Plane: von laterodorsal nach medioventral
Der Einstich erfolgt in der Mitte der schmalen Schallkopfseite. Weil die Sonde in die obere Thoraxöffnung gekippt ist, leicht bei einem Vorschub leicht aus der Schallebene ab. Die Punktion wird sicher wenn, die erste Regel von ultraschallgestützten Interventionen befolgt wird: Kein Kanülenvorschub ohne sichtbare Kanüle. Widerstände beim Kanülenvorschub sind : (A) Haut, (B) M. omohyoideus, (C) Fascia praevertebralis und ggf. (D) Bindegewebe um die Trunci.
Intrafaszikuläre Injektionen sind zu vermeiden, das Ziel ist eine Umspülung der Trunci. Wird das Lokalanästhetikum beispielsweise zunächst zwischen Rippe und Truncus inferior platziert, muss die Kanüle zunächst zurückgezogen und anschließend anguliert werden, um mit einem weiteren Vorschub in die nächste Position zu gelangen. Die Prozedur ist mit einer vollständigen Umspülung aller zuvor detektierten Nervenanteile abgeschlossen. Volumina von 10ml sind unter Geübten ausreichend.
Truncus superior Block auf supraklavikulärer Ebene
Der Truncus superior, relevant für kleinere Operationen an der Schulter, kann auch auf supraklavikulärer Ebene erreicht werden (siehe nächste Abbildung). Im Gegensatz zur weiter kranial gelegen Blockade des Truncus superior, dem Zusammenschluss der Rr. ventrales von C5 und C6, kann auf supraklavikulärer Ebene nicht ausgeschlossen werden, das wegen der direkten Nachbarschaft weiterer Nerven, mehr Anteile des Plexus brachialis als aus C5 und C6 blockiert werden.
Blutgefäße in der supraklavikulären Position
Betrachte das nächste Ultraschallbild der supraklavikulären Ebene des Plexus brachialis mit Darstellung der A. dorsalis scapulae, die aus der A. subclavia hervorgeht und den Plexus brachialis regelrecht „durchbohrt“.
Wird in der In-Plane-Technik blockiert, sind Kenntnisse über den Schichtdickenartefakt und die variablen Gefäßverläufe erforderlich.
Kathetertechniken
In-Plane-Zugang
Bei der Anlage eines peripheren Nervenkatheters ist es eine gängige Technik, zunächst einen Raum durch Injektion eines Lokalanästhetikums zu schaffen und darin den Katheter zu platzieren. Der Grund ist, dass mit dieser Methode der erste Block „garantiert” wird und die unsichere Verteilung durch den Katheter bei der Anlage umgangen wird.
Die Frage, ob es besser ist, den Katheter In-Plane oder Out-of-Plane zu platzieren, wird rege diskutiert. Eine eindeutige Studienlage ist nicht vorhanden. Unabhängig davon, für welche Methode du dich entscheidest, sollte der Katheter nach der Anlage sonografisch in seiner Position kontrolliert werden. In der nächsten Abbildung ist ein In-Plane-platzierter Katheter zu sehen, der gut erkennbar ist, da die Ultraschallwellen den Katheter nahezu senkrecht treffen.
Meine langjährige Erfahrung hat mich gelehrt, dass keine Kathetertechnik über Tage hinweg wirklich zuverlässig ist. Wenn ein peripherer Nervenkatheter für die Physiotherapie benötigt wird, sind täglche Single-Shot-Blockaden hinsichtlich ihrer Präzision und Vorhersagbarkeit ungeschlagen (sofern diese Technik beherrscht wird). Jegliche Möglichkeit einer sekundären Katheterdislokation durch Bewegung wird dadurch umgangen.
Tim, Radiomegahertz
Anatomische Merkmale und Besonderheiten der supraclaviculären Position
- Typische Indikation / OP-Gebiet: Operationen an Schulter und Arm (C5-Th1).
- Truncus superior kann gezielt blockiert werden (bestimmte Schulteroperationen)
- Alle Trunci können blockiert werden: Operationen am Arm und Schulter
- Zugang zu den Nn. supraclaviculares oberhalb der Fascia prävertebralis möglich
- N. suprascapularis wird erreicht.
- Pneumothorax möglich bei „blindem“ Kanülenvorschub
- N. phrenicus Parese gegenüber interscalenärer Position unwahrscheinlicher.
- Risiko arterieller Gefäßverletzungen anatomisch betrachtet höher gegenüber anderen Positionen.
- N. intercostobrachialis wird NICHT erreicht.
Merke
Zusammengefaßt ist es sinnvoller die interscalenäre Postion zu verlassen und die Blockade auf supraclavicularer Ebene durchzuführen.
Schlüsselpositionen innerhalb Plexus brachialis-Ebenen
Für welche Plexus brachialis-Blockaden würdest du dich entscheiden, wenn du nur zwei auf eine einsame Insel mitnehmen dürftest?
Der eine entscheidet für die axilläre Position
Begründung: Auf der axillären Ebene werden alle peripheren Nerven des Plexus brachialis vor weiteren Aufteilungen erreicht. Zusätzlich ist die axilläre Ebene die einzige Etage, von der aus der N. intercostobrachialis erreicht werden kann. Weitere Faktoren, wie die Möglichkeit, den Nervus axillaris axillär zu erreichen, sowie der insgesamt komplikationsarme und damit sichere Blockadeort, prädestinieren die axilläre Ebene für eine der beiden Schlüsselpositionen bei Operationen an Hand, Unterarm und Ellenbogen.
Der andere votiert für die supraklavikuläre Position
prädestinieren die supraklavikuläre Ebene für die andere der beiden Schlüsselpositionen bei Operationen an Schulter und Arm.
Die Randgebiete des Plexus brachialis werden zusammen abgedeckt
Nur wenn die die frühen peripheren Nervenabgänge des Plexus brachialis erreicht werden müssen, also die Nn. thoracicus longus et dorsalis scapulae, stünden wir auf dein einsamen Insel noch einsamer da: hier, müsste auf die interscalenäre Ebene wechseln. Aber Operationen am Rumpf werden dort nicht durchgeführt 😉
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Referenzen und Links
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Timothy, R.V.; Guy, L.W. Supraclavicular brachial plexus anesthesia using the plumb bob method. Techniques in Regional Anesthesia and Pain Management 1997, 1, 151–156. doi:10.1016/S1084-208X(97)80003-1
Wedel, D.J.; Klaastad, Ø.; VadeBoncouer, T.R.; Tillung, T.; Smedby, Ö. An evaluation of the supraclavicular plumb-bob technique for brachial plexus block by magnetic resonance imaging. Anesth Analg 2003, 96, 862–867. doi:10.1213/01.ANE.0000048707.91577.83
Collins, A.B.; Gray, A.T.; Kessler, J. Ultrasound-guided supraclavicular brachial plexus block: a modified Plumb-Bob technique. Reg Anesth Pain Med 2006, 31, 591–592. doi:10.1016/j.rapm.2006.07.006
Schubert, A.-K.; Dinges, H.-C.; Wulf, H.; Wiesmann, T. Interscalene versus supraclavicular plexus block for the prevention of postoperative pain after shoulder surgery: A systematic review and meta-analysis. Eur J Anaesthesiol 2019, 36, 427–435. doi:10.1097/EJA.0000000000000988