Radiomegahertz Podcast Ultraschall in der Anästhesie Tim Mäcken

Midline Katheter | Ein Fallbericht

Ein Midline Katheter für die i.v. Antibiose

Eine wahre Geschichte mit Bildern von Midjourney untermalt

Ich wurde gebeten, bei einem Patienten einen peripheren Katheter für eine Langzeit-i.v.-Antibiose zu platzieren. Seine Knieprothese wurde nach 2 Jahren wieder entfernt. Das war der Zeitpunkt, als die Schmerzen wieder angefangen haben, die Ursache der Lockerung sei durch eine chronische Infektion entstanden. Die Ärzte erläuterten ihm, ohne Infekt-Sanierung könne man keine erneute Prothese einsetzen, die Bakterien müssten erst „raus“.

Mit dem sympathischen Mann, ein Malocher vor dem Herrn, wie ich später erfahren sollte, kam schnell ein vertrautes Gespräch auf. Er habe immer gern als Bergmann gearbeitet.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte: Auf die Kumpel sei Verlass

Man müsse seinen Job immer gut erledigen, es dürfe einfach nichts passieren, Vertrauen auf sich und in die anderen sei tief unter der Erde halt lebenswichtig. Auf seine Kumpel, mit denen er Untertage gearbeitet hat, lasse er nichts kommen. Es sei die körperliche Arbeit und das Vertrauen in andere, dass ihn zufrieden gestellt und vor allem mental geprägt haben.

Die körperlichen Spätfolgen seien zu erwarten gewesen. Er beschrieb wie er Strebe vorangetrieben hat. Wie häufig er das Geröll auf den Knien mit einfachem Handwerkzeug abgetragen hat. Er sei aus Schlesien, habe sein Leben im Bergbau verbracht, zuletzt in der Zeche ProsperHaniel in Bottrop, die als letztes Bergwerk im Ruhrgebiet 2015 geschlossen wurde. Noch vor dem Aus der Steinkohle kamen seine Knieprobleme, dann die „Neue-Knie-Operation“, nun der Infekt.

Kopfkino während der Vorbereitung zur Katheteranlage

Während der Vorbereitungen, dem Herrichten des Equipments, der präprozeduralen Sonographie der Vv. basilica et cephalica, stellte ich mir den Mann im Stollen 40 Jahre jünger vor. Im Saft seiner körperlichen Kraft und mit dem Willen, eine gute Arbeit leisten zu wollen. Nach einigen Prompts in Midjourney habe ich mich für dieses Bild entschieden.

Venenauswahl für den Midline Katheter: V. cephalica oder basilica

Vor der Desinfektion eines Mittels mit Remanenzwirkung, habe ich in der V. cephalica knapp proximal der Ellenbeuge ein Thrombus sonografisch erkannt.

Unabhängig von dem Risiko einer möglichen weiteren katheterbedingten Thrombosierung, käme eine distale Punktion der V. cephalica am Oberarm wegen der Mobilitätseinschränkung eh nicht in Frage.

Die V. basilica scheint unter Ärzt*innen die häufiger verwendete Vene für einen Midline-Katheter oder einen peripher eingeführten ZVK zu sein (engl. PICC-Line).

Anatomische Besonderheiten V. cephalica

Unabhängig von dem Risiko einer möglichen weiteren katheterbedingten Thrombosierung bei diesem Patienten, käme eine distale Punktion der V. cephalica am Oberarm wegen der Mobilitätseinschränkung eh nicht in Frage. Die V. basilica scheint unter Ärzt*innen die häufiger verwendete Vene für einen Midline-Katheter oder einen peripher eingeführten ZVK zu sein:

Die V. cephalica durchbricht während des Verlaufes nach ventral also Faszien, ist dann zwischen den Faszien der Mm. deltoideus et pectoralis zu finden, verläuft dann weiter zum Oberarm, wo sie oberflächlich zum M. biceps oder im Sucluc bicipitalis lateralis zu finden ist (siehe dazu die nächsten beiden Abbildungen). 

Die V. cephalica durchbricht während des Verlaufes nach ventral also Faszien, ist dann zwischen den Faszien der Mm. deltoideus et pectoralis zu finden, verläuft dann weiter zum Oberarm, wo sie oberflächlich zum M. biceps oder im Sucluc bicipitalis lateralis zu finden ist (siehe dazu die nächsten Abbildungen). 

PICC-Line und V. cephalica aus anatomischer Sicht

PICC steht für peripherally inserted central catheter. Um eine PICC-Line über die V. cephalica etablieren zu können, muss der Führungsdraht/Katheter demnach mechanisch ungünstigen Winkeln folgen.

Jeder DIY-Heimwerker weiß: flexibles Netzwerkkabel durch gebogene Verlegerohre schieben zu wollen, birgt Stress.

Auf die V. cephalica-PICC-Line bezogen heißt das zunächst, in der Fossa deltoideopectorale steiler Abstieg nach dorsal, dann „scharfe Kurve“ in die V. axillaris. Doch dann ist noch nicht Schluss: Der Katheter muss in seinem bisher „geschlängelten“ Verlauf noch bis zur V. cava superior vorgeschoben werden. 

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die Sonografie neben den Vorteilen einer visuellen Punktion ein extrem hilfreiches Werkzeug für einen peripher eingeführten ZVK über die V. cephalica sein kann:

Nutze die Sonografie nicht nur zur Punktion, sondern auch, um den Verlauf der V. cephalica darzustellen. Stelle sicher, dass

  • die V. cephalica überhaupt vorhanden ist, sie kann durchaus fehlen, und
  • ob nicht eine Variation mit supraclaviculärem Verlauf vorliegt


Solltest du dich also für die V. cephalica entgegen des anatomisch günstigeren Verlaufes der V. brachialis entscheiden, nutze das volle sonografische Pontential: Tracing und Punktion! Damit führst du deine ultraschallgestützte Intervention zum Erfolg. 

V. basilica: Punktionsort für Midline-Anlage

Ich stellte sonografisch sicher, dass die V. basilica ohne Thrombus war, indem ich sie von der Ellenbeuge bis in die Axilla verfolgte. Der 25cm lange Katheter mit einem Durchmesser von 3F sollte mit seinem Ende in die V. axillaris münden.

Sonografie der V. basilica

Oberflächliches Ziel: Ultraschallsonde mit kleinem Footprint und hoher Frequenz (Hockeystick 25mm, 15MHz). Mit dieser Auswahl wird gegenüber einem Standard-Linearschallkopf mit einer Breite von 40mm die Vene größer auf dem Bildschirm dargestellt.

Das Vorgehen hinsichtlich Sondenauswahl und Punktionstechnik zur Platzierung eines Midline-Katheters ist für die Punktion peripher Venen oder der A. radialis gleich: ich bevorzuge die slide-down-down-Technik mit Querdarstellung des Gefäßes (dynamic needle positioning). Siehe dazu auch den Beitrag über die periphere Venenpunktion mit Ultraschall

Sorge des Patienten kurz vor der Punktion

Trotz angenehmer und angeregter Unterhaltung, wusste der Patient, dass nun der Einstich erfolgen wird. Er sei wirklich nicht zimperlich, was Schmerzen anginge, aber die vorherigen Punktionen, insbesondere am rechten Arm, haben einfach sehr weh getan. Ich glaubte dem Mann sofort. Von anderen körperlich anstrengenden Gewerken kannte ich die Einstellungen der Handwerker.

Der rechte Ellenbogen war verbunden und ich verbiss mir einen Kommentar. Warum wurde, unabhängig davon, dass nicht sonografisch punktiert wurde, überhaupt auf der Höhe des Ellenbogen die Anlage versucht? Wieder kamen mir Bilder seiner Arbeit in den Sinn.

Punktionstechnik: Einstich idealerweise im Venenverlauf

Im Gegensatz zu einigen YouTube-Videos, in denen ein steiler Punktionswinkel zur Vene zu beobachten ist, halte ich den flachen Winkel, einen Winkel – der den Verlauf der Vene berücksichtigt – für den geeigneteren: er schützt besser davor, die dorsale Venenwand zu akzidentell zu durchstehen. Langsame und kontrollierte Kanülen- und Sondenmanöver sind die Schlüsselelemente für den Erfolg. Wie bei der A. radialis-Kanülierung und die ultraschallgestützte Anlage peripherer Verweilkanülen.

Einbringen des Katheters mit Seldinger-Technik

Ein Kollege wohnte der Prozedur bei und wir sprachen über die gleich folgende sonografische Kontrolle des Führungsdrahtes, der Darstellung bis zur Axilla.

Die Sonoantomie der axillären Region kennst du sicherlich aus der Regionalanästhesie. Bei der Blockade des Plexus brachialis auf axillärer Ebene werden die peripheren Nerven des Plexus nach distal zur Identifikation verfolgt. Bei der Midline-Katheteranlage gleitet deine Sonde von distal nach proximal 😉

Bergmann Weisheit

Der Patient, der Untertage auch für die elektrischen Maschinen zuständig war, fragte nach der Bedeutung des Drahtes. Ich berichtete, dass die Punktion problemlos verlaufen sei und ein sogenannter Führungsdraht nun in der Vene läge, der eben als Führung dient, den eigentlichen Katheter darüber einführen zu können. Das sei der eigentliche „Trick“. Er lachte aufund sagte, so mancher Draht hat ihm schon bei der Frimmelei aus der Not geholfen. Ob ich denn nicht den Satz „Brauchst du Rat, nimm ein’ Draht“?

Nein, den Satz kannte ich nicht, aber wie gesagt, ich glaubte ihm jedes Wort. Leider fiel mir eine pfiffige BergarbeiterAntwort zur Punktion nach Landmarken-Technik erst zuhause ein: Vor der Hacke ist es duster.

Stichwort: APAT

Ambulante parenterale Antibiotika-Therapie (Antiinfektiva-Therapie) – APAT. Das ist das, was der Patient gegenwärtig benötigt: intravenöse Antibiose über mehrere Wochen, damit die erforderliche nächste Operation angegangen werden kann. Ideal wäre es, wenn eine erneute Knieprothese implantiert werden könnte. Für den Patienten belastender wäre eine Versteifung des Knies. Die Zeit zur infektiologischen Sanierung würde er zu Hause sein können, den ein ambulantes Team kümmere sich um den venösen Katheter, d. h. Visiten mit Verbandwechsel, Funktionstests und Medikamentengabe.

Infektion der Endoprothese: Eine Belastung für Patient*inen*

Zusammengefaßt ist die Behandlungsdauer für den Bergmann lang und belastend:

  • die erste Knieoperation,
  • die Infektion als Spätkomplikation,
  • der Ausbau der Prothese
  • und Implantation eines antibiotikahaltigen Spacers zur Infektsanierung (zweizeitige septische Endoprothetik),der
  • keine Frühmobilisation ermöglicht,
  • die zusätzliche mehrwöchige i.v.-Antibiose
  • und abschließend eine erneute Knieoperation
  • die im schlimmsten Fall mit einer Versteifung des Knies enden könnte.

 

Ein funktionierender Midline-Katheter nimmt für die Infektsanierung somit einen nicht unerheblichen Stellenwert ein.

Mögliche Komplikationen während der Langzeit-APAT

Katheterinfektion mit

  • Thrombophlebitis oder
  • Catheter related blood stream infections = CRBSI

Katheterdysfunktion durch

  • mechanische Belastung
  • Katheterverschluss (Thrombus, Fibrin,
  • Katheterdislokation

Ich wünsche mir sehr, dass der sympathische ehemalige Bergarbeiter erfolgreich ein neues Knie erhalten wird. 

Wenn dir dieser Bericht gefallen hat, schreibe mir. Möchtest du in diesen Blogbeitrag weitere Details zu Midline-Kathetern oder PICC-Lines lesen … schreibe mir (support@radiomegahertz.de)

Eine weitere Begegnung mit einem Kumpel (Bergmann)

Anfang der 2000er habe ich bei einem Bergarbeiter mit Thoraxtrauma, damals unter Aufsicht, einen Periduralkatheter zur Analgesie platziert. Der Kohlenstaub verteilte sich, die weißen Laken grau-schwarz meliert. In sitzender Position wurde erst gewaschen, dann desinfiziert. Mich hat bereits damals die Zechenwelt fasziniert und der Menschenschlag mit der direkten Aussprache gefallen. Sicherlich ist das ein Grund, warum ich gerade diesen medizinischen Fall als Geschichte über den Bergbau ausgewählt habe.

Es gibt noch einen zweiten Grund: Zur selben Zeit wurden noch periphere-zentrale-Venenkatheter (PICC-Lines) für die perioperative Behandlung verwendet. Ich erinnere mich gut an die Probleme und Schwierigkeiten der Venenpunktion mit der 14G Kanüle. Und wenn erfolgreich punktiert wurde, war noch immer nicht sicher, ob der pZVK bis zum Vorhof vorgeschoben werden konnte.

Insofern kann ich die Fehlpunktionen auf beiden Seiten auf Höhe der Ellenbeuge bei dem Bergmann des vorherigen Fallberichts technisch nachvollziehen, stoße aber auf Unverständnis, warum nicht sonografisch auf Höhe des mittleren Oberarmes punktiert wurde. Wie war das noch gleich? Vor der Hacke ist es duster?

Die künstliche Bildgenerierung gab es damals nicht. Obwohl die Entwicklung der Modelle rasend schnell verläuft, ist die Version 6 des KI-Modell von Midjouney nicht die hellste Lampe auf der Welt. Echt jetzt? Ein Barometer als Stirnlampe? Oder trickst die KI mich aus, weil sie glaubt, als Anästhesist würde ich das gut finden?

Radiomegahertz Kontakt Tim Mäcken
www.radiomegahertz.de/kontakt

Fragen, Fehler und Ergänzungen

Hat die der Beitrag gefallen? Wenn ja, freue ich mich über eine Rückmeldung. Wenn nicht, schreibe mir doch warum. Email an: echo@radiomegahertz.de.

Referenzen und Links

Cookie Consent mit Real Cookie Banner